
Im Jahr 2004 wurde u.a. Christian Zimmermann, Präsident des Allgemeinen Patientenverbandes, von der DPA über die Einführung des Hausarztmodells in Baden-Württemberg befragt.
Gesundheit (dpa/lsw-THEMA DES TAGES - Zusammenfassung 1430 - neu: Reaktionen Sozialministerium, Patientenverband)
Erstes Hausarztmodell in Deutschland: AOK zieht positive Bilanz
Stuttgart/Marburg (dpa/lsw) - Das bundesweit erste Hausarztmodell hat sich nach einjähriger Laufzeit aus Sicht der AOK Baden- Württemberg und des Patientenverbandes bewährt. «90 Prozent der fast 7500 Teilnehmer sind von dem Konzept unseres Modells überzeugt, weil die Überweisung an die Fachärzte reibungsloser und ohne unnötig lange Wartezeiten geschieht und die Behandlung transparenter ist», sagte der AOK-Vorsitzende Rolf Hoberg in einem dpa-Gespräch am Donnerstag. Auch der Präsident des Allgemeinen Patienten-Verbandes in Marburg, Christian Zimmermann, spendete Lob.
Der Wegfall der Praxisgebühr sei nicht das ausschlaggebende Argument für die Patienten-Zufriedenheit, erläuterte Hoberg. Nach einer wissenschaftlichen Auswertung hat sich aus Sicht der
Versicherten die Qualität ihrer Versorgung verbessert. Fast alle Teilnehmer können das Modell weiterempfehlen. Hoberg kündigte an, die stärker vernetzte Versorgung in den nächsten Jahren flächendeckend einzuführen. «Zunächst startet im Januar 2005 in Freiburg sowie in den Landkreisen Breisgau-Hochschwarzwald und Lörrach ein weiteres Hausarztmodell.»
Die erste Anlaufstelle im Krankheitsfall ist demnach für die Versicherten der Hausarzt, der als «Lotse» die medizinischen Angebote steuert. Ausnahmen sind Besuche beim Augen-, beim Frauen-, Kinder- und Zahnarzt, die auch weiterhin ohne vorheriges Aufsuchen des Hausarztes möglich sind.
Sozialministerin Tanja Gönner (CDU) plädierte für eine bessere Vernetzung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung sowie zwischen verschiedenen Fachdisziplinen. Ein Modell, das die Rolle des Hausarztes stärke, könne dazu beitragen, Information und Kommunikation zwischen den einzelnen Sektoren zu verbessern. «Es kann schon hilfreich sein, wenn es für den Patienten im Sinne eines Fall-Managements eine ärztliche Anlaufstelle gibt, die kompetent entscheidet, ob und welche fachärztliche Behandlung notwendig ist.»
Ein abschließende Bewertung sei allerdings erst sinnvoll, wenn belegt sei, dass die Versorgung der Patienten verbessert werde und die Leistungen wirtschaftlich erbracht würden.
Mit dem Hausarztmodell sieht der Patienten-Verband in Marburg eine uralte Forderung erfüllt, die zudem einen Beitrag zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen leiste. Präsident Zimmermann sagte in einem dpa- Gespräch: «Bislang bestand die Gefahr, dass bei unmittelbarer Inanspruchnahme die Fachärzte Patienten aus finanziellen Gründen unnötig lange untersuchen und behandeln.» Bagatellfälle könnten aus Honorargründen aufgebauscht und Patienten möglicherweise gesundheitlich belastet werden. Dem gebiete das Modell Einhalt.
Als weiteren Vorteil nannte Hoberg die im Zuge des Feldversuchs angelegte persönliche Patientenakte mit den Ergebnissen der Eingangsuntersuchung, dem Präventionsplan sowie den Ergebnissen aller weiteren Untersuchungen. Die Akte erlaube dem Versicherten einen detaillierten Einblick in seinen Krankheits- und Genesungsverlauf. Ein umfassendes Einsichtsrecht gibt nach Zimmermanns Worten das Gefühl, er kann sich als Subjekt in die Behandlung einbringen: «Das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Arzt wird gestärkt.»
An dem Modellversuch in der Region Rhein-Neckar sind 111 Hausärzte, davon 11 Kinderärzte, beteiligt. Das Projekt wurde von der Schweizer Prognos AG wissenschaftlich begleitet. Das Ärzte-Netz Qu@linet hatte gemeinsam mit der AOK Qualitäts-Kriterien für das Modell erarbeitet. Die AOK Baden-Württemberg ist mit rund 4,1 Millionen Versicherten die größte gesetzliche Krankenkasse im Land.
(Internet: www.aok.de/bw; www.patienten-verband.de)
Gesundheit (dpa/lsw-THEMA DES TAGES - dpa-Gespräch - Drei Fragen, drei Antworten)
Patientenvertreter lobt AOK-Hausarztmodell: Alte Forderung erfüllt
Stuttgart/Marburg (dpa/lsw) - Die AOK-Baden-Württemberg hat das bundesweit erste Hausarztmodell ausgewertet und eine positive Bilanz gezogen. Auch der Allgemeine Patienten-Verbandes in Marburg sieht das Projekt als wegweisend. Präsident Christian Zimmermann sagte in einem dpa-Interview «Drei Fragen, drei Antworten», das Modell erfülle eine uralte Forderung des Verbandes.
dpa: Welches sind die Vorteile eine Hausarztmodells für die Patienten?
Zimmermann: «Bislang bestand die Gefahr, dass bei unmittelbarer Inanspruchnahme die Fachärzte Patienten aus finanziellen Gründen unnötig lange untersuchen und behandeln. Dadurch werden die Kassen finanziell und die Patienten möglicherweise gesundheitlich belastet. Bagatellfälle können aus Honorargründen aufgebauscht werden. Hausarztmodelle sind daher ein Beitrag zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Das kommt den Beitragszahlern zu Gute.»
dpa: Welche Rolle spielt die Patientenakte?
Zimmermann: «Der Patient hat seit mehr als zwei Jahrzehnten - auch gerichtlich bestätigt - das Akteneinsichtsrecht. Auch heute noch wird es vom Arzt oft als Misstrauensvotum betrachtet, wenn er es einfordert. Ist die Einsicht wie beim Hausarztmodell verankert, dann erhält er das Gefühl, er kann sich als Subjekt in die Behandlung einbringen. Das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und Arzt wird gestärkt.»
dpa: Birgt das Hausarztmodell auch Gefahren?
Zimmermann: «Es könnte sein, dass der Hausarzt den Patienten aus finanziellen Gründen zu lange hält und zu spät überweist. Dem wäre dadurch entgegenzuwirken, dass das Vergütungssystem für Ärzte komplett umgestellt wird, nämlich auf ein Grundgehalt je nach Qualifikation zuzüglich eines Bonus für gute Ergebnisse. Wenn dem Hausarzt schlechte Heilungsergebnisse nachgewiesen werden, läuft er Gefahr den Bonus zu verlieren.»
(Internet: www.patienten-verband.de)


