Erich Amend, Tod durch Sepsis

Der ebenfalls 14-jährige Patient Erich Amend war vom Hausarzt als Notfall mit der ebenfalls richtigen Diagnose einer Appendi­citis ("Blinddarmentzündung") in die Marburger Universitätsklinik eingewie­sen, dort aber aufgrund einer Fehldiagnose ab­gewiesen und mit dem Rat wieder nach Hause geschickt worden, Tee zu Trinken und Zwieback zu essen. Am nächsten Morgen war der Junge tot. Die Obduktion ergab, daß der Junge tatsächlich eine vom Hausarzt richtig diagnostizierte Appendi­citis gehabt hatte und es aufgrund der Fehldiagnose in der Marburger Universitätsklinik zu einem Durchbruch des vereiterten Wurmfortsatzes (Appendix) und zu einer sodann tödlichen Bauchfellentzündung gekommen war.

Die Staatsanwaltschaft wollte das Ermittlungsverfahren zunächst wegen angeblich geringer Schuld einstellen. Nur weil der verantwortliche Arzt, Prof. Maroske, meinte, er hätte überhaupt keine Schuld, kam es zu Anklage und Eröffnung der Hauptverhandlung. Es fanden sich dann gnädige Gutachter, die zwar  - wie das Gericht auch -  das ärztliche Fehlverhalten und die Ursächlichkeit des ärztlichen Fehlverhaltens für den Tod des Patienten feststellten, jedoch die mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit (96 - 98%) des Behandlungsfehlers für den Tod des Patienten nicht bestätigen mochten, sondern es bei 90% Wahrscheinlichkeit beließen, wohl wissend, daß die Ärzte damit strafrechtlich nicht belangbar waren. Für eine strafrechtliche Verurteilung ist eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich, die hier allerdings eindeutig und zweifelsfrei vorlag:

Bei einer rechtzeitigen Appendektomie („Blinddarm-Operation“) liegt die Todesrate unter 1%. Somit werden mehr als 99% der Patienten folglich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gerettet. Wird aber nicht rechtzeitig operiert und kommt es zu einem „Platzen“ des vereiterten Wurmfortsatzes („Blinddarms“) mit der Folge, daß dann bis zu 50% der Patienten sterben. Der Patient Erich Amend wäre folglich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei rechtzeitiger Operation gerettet worden und es hätte zwingend eine Verteilung wegen Totschlags durch Unterlassen oder wegen fahrlässiger Tötung erfolgen müssen.