5. Ambulanzen an die Kliniken

Hat der Assistenzarzt die o.a. Facharztankerkennung erhalten, braucht er für die Niederlassung in eigener Praxis ein Investitions-Volumen von durchschnittlich 150.000 €. Bei Röntgen-Praxen liegen die Investitionskosten sogar im Millionenbereich. Derartige Summen kann ein schlecht bezahlter Assistenzarzt in der Klinik aber nicht ansparen. Er muß deshalb hohe Kredite aufnehmen, die er tilgen und für die er hohe Zinsen zahlen muß. Er muß desweiteren die laufende Praxis finanzieren sowie Miete und Mitarbeiter bezahlen. Selber leben will er mit einem angemessenen Honorar auch. Dadurch besteht ein fataler und falscher finanzieller Anreiz , möglichst viele und auch unnötige ärztliche Leistungen zu erbringen, um sein Honorar zu steigern.

 

Einige Beispiele:

  • Bei uns wird doppelt so viel geröntgt wie in Schweden. Die deutsche Bevölkerung ist aber nicht gesünder als die schwedische. Sinnvolle medizinische Leistungen müßten sich in einem besseren Gesundheitszustand unserer Bevölkerung niederschlagen.
  • Deutsche Ärzte, die ein Röntgen-Gerät haben, erbringen ein vielfaches der Röntgenleistungen gegenüber Ärzten, die zum Röntgen überweisen müssen. Bei sachgerechter Indikationsstellung (ärztliche Feststellung der medizinischen Notwendigkeit) dürfte es derartig gravierende Unterschiede nicht geben.
  • Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Hessen hat eine Bonusregelung für das Nichterbringen von Laborleistungen eingeführt, d.h. die Ärzte bekamen Geld, wenn sie bestimmte Laborleistungen nicht mehr anforderten. Prompt sank die Rate der angeforderten Laborleistungen um bis zu 50 % ab.
  • In den Niederlanden wird nur bei ca. jedem 2. Arztbesuch ein Medikament ver­schrieben. Hierzulande enden dagegen die meisten Arztbesuche mit einer Medikamentenverordnung. Der rasche Griff zum Rezeptblock ermöglicht eine zügige Patientenabfertigung. Die deutschen Ärzte gehen bei der Medikamenten-Verordnung, insbesondere von Schmerzmitteln, nicht selten leichtfertig vor, so daß u.a. Nierenschäden mit kostenträchtiger Dialysepflicht entstehen.
  • Die Rate der Herzkatheter-Untersuchungen liegt bei uns erheblich höher als in allen anderen Ländern der Welt. Allerdings werden diese nicht ungefährlichen Untersuchungen bei uns auch so gut bezahlt, daß eine außerordentlich hohe Zahl von Herzkatheter-Meßplätzen entstanden ist, die ausgelastet werden müssen.
  • Die Ärzte lassen an sich selbst und ihren Familienangehörigen nur einen Bruchteil der Maßnahmen durchführen, die sie ihren Patienten zumuten. Sie wissen um die Risiken ärztlicher Eingriffe. Würden die Ärzte mit ihren Patienten so verfahren wie mit sich selbst, gäbe es weder fachliche noch finanziellen Probleme im Medizinbetrieb.

Diese Tatsachen, die sich beliebig vermehren ließen, sind medizinisch nicht zu begründen. Daraus folgt, daß ein erheblicher Teil der Maßnahmen in unserem Gesundheitswesen nicht aus medizinischer Notwendigkeit (Indikation), sondern zum Zweck eines unsachgemäßen Abkassierens erbracht werden. Ein Gesunder ist bekanntlich ein Mensch, der nur noch nicht hinreichend untersucht worden ist.

Die Lösung der aufgezeigten Problematik besteht in der Gründung von Kliniksambulanzen bzw. ambulanten „Gesundheitszentren“ an den Krankenhäusern nach niederländischem Vorbild, das nicht insgesamt, aber in diesem Punkt vorbildlich ist. Dort können sich die spezialisierten Fachärzte ebenfalls niederlassen - allerdings unter Anmietung von Räumlichkeiten in der betreffenden Klinik bei Mitnutzung der dortigen Apparate und Großgeräte. Dadurch entfallen die o.a. enormen Investitionskosten bei der Praxisgründung mit den daraus resultierenden finanziellen Zwängen zur unsachgemäßen Leistungsausweitung sowie die kostentreibende Zweigleisigkeit unseres Systems, die u.a. zu unnötigen stationären Behandlungen sowie zu vielfachen Doppeluntersuchungen führt.

zurück zu Kollegiale Leitung statt Chefarzt-System | weiter zu Pharma-Chaos beenden